7-9/06
Juli 2006
 
TU intern
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Ingenieure sichern unsere Lebensgrundlage im Wohlstand

Zur Diskussion um die Bachelor- und Masterausbildung in den Ingenieurwissenschaften

Kontroverse Standpunkte über die Chancen, die Entwicklung und den derzeitigen Stand des Bologna-Prozesses nahmen in der letzten TU intern-Ausgabe Prof. Dr. Günter Pritschow, Leiter der acatech-Studie "Bachelor- und Masterstudiengänge in den Ingenieurwissenschaften", und Dr. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft, ein. Anlass war das Erscheinen dieser Studie gewesen, die vom Stifterverband in Auftrag gegeben wurde. Insbesondere zu der Sichtweise des stellvertretenden Generalsekretärs des Stifterverbandes erreichte die Redaktion ein weiterer Beitrag, den wir hier abdrucken:

 
  Eike Lehmann, VDI-Präsident
© VDI

"Herr Dr. Meyer-Guckel spricht von einem elitären Statusdenken und Fantasielosigkeit und spricht den Ingenieuren einen inhaltlichen Erneuerungswillen ab. Weiß er denn nicht, dass der technische Fortschritt, dem sich jeder Ingenieur a priori verbunden fühlt, geradezu zwingend einen Erneuerungswillen voraussetzt? Ihnen zu unterstellen, sie hätten diesen nicht, käme der Behauptung gleich, der Jurist hätte kein Rechtsempfinden oder der Arzt kein Interesse an der Gesundung des Patienten.

Elitäres Statusdenken? Das habe ich bei anderen Berufsgruppen sehr viel stärker gefunden. Fantasielosigkeit? Gerade aus Fantasie und Ideen neue Produkte zu entwickeln ist doch die hohe Kunst des Ingenieurs! Wirklich erfolgreiche Ingenieurwissenschaften sind das Ergebnis mühevoller, meist viele Jahre dauernder Arbeit, mit hoher Anerkennung und oft tiefer Enttäuschung. Da ist kein Platz für elitäres Statusdenken. Ist es elitäres Statusdenken, sich zu einer Gruppe von Menschen zugehörig zu fühlen, die Produkte erfinden und bauen zur Sicherung unser Lebensgrundlage im Wohlstand? Dann will ich mich gerne dazu bekennen.

Wie kommt Herr Dr. Meyer-Guckel darauf, dass die Diplomausbildung überschätzt wird? Die deutsche Ingenieurausbildung gehörte immer zu den besten, die es gibt. Ein Hinweis darauf ist zum Beispiel, dass die Anerkennung des akademischen Grades Diplomingenieur für Absolventen der Fachhochschulen unterstützt wurde, gerade weil dieser Grad eine weltweite Anerkennung der deutschen Ingenieurausbildung bedeutete.

Auch die internationale Kompatibilität ist viel weniger problematisch als häufig argumentiert.

Es irritiert zudem, dass die 40-prozentige Abbrecherquote zum Argument genommen wird, die Bachelor-/Masterausbildung zu favorisieren, da sich die Durchfallquoten bei der Letzteren anscheinend verringern sollen. Die Abbrecherquoten können nachhaltig nur durch eine Absenkung des Niveaus gesenkt werden. Meint Herr Dr. Meyer-Guckel dieses, wenn er die solide Grundausbildung des Ingenieurs als langweilige und langwierige Theorievermittlung verunglimpft? Für mich selbst war dieses ein Bildungserlebnis, das mein ganzes Leben geprägt hat. Noch heute bin ich meinen Professoren dankbar, die unerbittlich Leistung gefordert haben. Nur so konnte ich später die richtigen Fragen stellen und fundierte Entscheidungen treffen. Die Industrie braucht Ingenieure, die an der Schnittstelle zum Marketing und zum Service arbeiten. Doch unsere Produkte müssen besser sein als die der Konkurrenz. Nur exzellent ausgebildete Ingenieure können dies sicherstellen. Der VDI besteht daher darauf, dass durch die Einführung der neuen Studiengänge die Qualität der Ausbildung nicht abgesenkt wird. Nichts wäre fataler, als wenn wir unsere technische Innovationskraft durch mangelnde technische Exzellenz verlören.

Eine Quotierung für den Zugang zum Master lehnt der VDI kategorisch ab, genauso wie die Promotion ausschließlich in Promotionsstudiengängen. Das würde verhindern, dass wichtige und wertvolle Anregungen aus der Praxis kommen. Zur Frage der Berufsbefähigung des universitären Bachelor erhebt sich die Frage, welches Berufsfeld dieser hat, welches nicht auch von einem FH-Absolventen besetzt werden kann. Viel wichtiger ist, sich darüber zu verständigen, was Fachhochschulen und technische Universitäten in Zukunft für Aufgaben haben und welche Differenzierungsmerkmale gelten sollen.

Wenn die Mehrzahl der Ingenieurstudenten mit einem Bachelor eine technische Universität beziehungsweise Fachhochschule verlassen, führt das zu einer nachhaltigen Verminderung der technischen Exzellenz in Deutschland. Das bedeutet Rückschritt statt Fortschritt. Das können wir nicht gutheißen.

Der VDI ist bereit, sich mit unterschiedlichen Argumenten auseinander zu setzen und begrüßt jede Diskussion - doch sie muss sachlich sein."

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Eike Lehmann,
Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI)

www.vdi.de

 

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