Ingenieure sichern unsere Lebensgrundlage im Wohlstand
Zur Diskussion um die Bachelor- und Masterausbildung in den
Ingenieurwissenschaften
Kontroverse Standpunkte über die Chancen, die Entwicklung
und den derzeitigen Stand des Bologna-Prozesses nahmen in
der letzten TU intern-Ausgabe Prof. Dr. Günter Pritschow,
Leiter der acatech-Studie "Bachelor- und Masterstudiengänge
in den Ingenieurwissenschaften", und Dr. Volker Meyer-Guckel,
stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes der
Deutschen Wissenschaft, ein. Anlass war das Erscheinen dieser Studie
gewesen, die vom Stifterverband in Auftrag gegeben wurde. Insbesondere
zu der Sichtweise des stellvertretenden Generalsekretärs des
Stifterverbandes erreichte die Redaktion ein weiterer Beitrag, den
wir hier abdrucken:
|
|
|
Eike Lehmann,
VDI-Präsident
© VDI |
"Herr Dr. Meyer-Guckel spricht von einem elitären Statusdenken
und Fantasielosigkeit und spricht den Ingenieuren einen inhaltlichen
Erneuerungswillen ab. Weiß er denn nicht, dass der technische
Fortschritt, dem sich jeder Ingenieur a priori verbunden fühlt,
geradezu zwingend einen Erneuerungswillen voraussetzt? Ihnen zu
unterstellen, sie hätten diesen nicht, käme der Behauptung
gleich, der Jurist hätte kein Rechtsempfinden oder der Arzt
kein Interesse an der Gesundung des Patienten.
Elitäres Statusdenken? Das habe ich bei anderen Berufsgruppen
sehr viel stärker gefunden. Fantasielosigkeit? Gerade aus Fantasie
und Ideen neue Produkte zu entwickeln ist doch die hohe Kunst des
Ingenieurs! Wirklich erfolgreiche Ingenieurwissenschaften sind das
Ergebnis mühevoller, meist viele Jahre dauernder Arbeit, mit
hoher Anerkennung und oft tiefer Enttäuschung. Da ist kein
Platz für elitäres Statusdenken. Ist es elitäres
Statusdenken, sich zu einer Gruppe von Menschen zugehörig zu
fühlen, die Produkte erfinden und bauen zur Sicherung unser
Lebensgrundlage im Wohlstand? Dann will ich mich gerne dazu bekennen.
Wie kommt Herr Dr. Meyer-Guckel darauf, dass die Diplomausbildung
überschätzt wird? Die deutsche Ingenieurausbildung gehörte
immer zu den besten, die es gibt. Ein Hinweis darauf ist zum Beispiel,
dass die Anerkennung des akademischen Grades Diplomingenieur für
Absolventen der Fachhochschulen unterstützt wurde, gerade weil
dieser Grad eine weltweite Anerkennung der deutschen Ingenieurausbildung
bedeutete.
Auch die internationale Kompatibilität ist viel weniger problematisch
als häufig argumentiert.
Es irritiert zudem, dass die 40-prozentige Abbrecherquote zum Argument
genommen wird, die Bachelor-/Masterausbildung zu favorisieren, da
sich die Durchfallquoten bei der Letzteren anscheinend verringern
sollen. Die Abbrecherquoten können nachhaltig nur durch eine
Absenkung des Niveaus gesenkt werden. Meint Herr Dr. Meyer-Guckel
dieses, wenn er die solide Grundausbildung des Ingenieurs als langweilige
und langwierige Theorievermittlung verunglimpft? Für mich selbst
war dieses ein Bildungserlebnis, das mein ganzes Leben geprägt
hat. Noch heute bin ich meinen Professoren dankbar, die unerbittlich
Leistung gefordert haben. Nur so konnte ich später die richtigen
Fragen stellen und fundierte Entscheidungen treffen. Die Industrie
braucht Ingenieure, die an der Schnittstelle zum Marketing und zum
Service arbeiten. Doch unsere Produkte müssen besser sein als
die der Konkurrenz. Nur exzellent ausgebildete Ingenieure können
dies sicherstellen. Der VDI besteht daher darauf, dass durch die
Einführung der neuen Studiengänge die Qualität der
Ausbildung nicht abgesenkt wird. Nichts wäre fataler, als wenn
wir unsere technische Innovationskraft durch mangelnde technische
Exzellenz verlören.
Eine Quotierung für den Zugang zum Master lehnt der VDI kategorisch
ab, genauso wie die Promotion ausschließlich in Promotionsstudiengängen.
Das würde verhindern, dass wichtige und wertvolle Anregungen
aus der Praxis kommen. Zur Frage der Berufsbefähigung des universitären
Bachelor erhebt sich die Frage, welches Berufsfeld dieser hat, welches
nicht auch von einem FH-Absolventen besetzt werden kann. Viel wichtiger
ist, sich darüber zu verständigen, was Fachhochschulen
und technische Universitäten in Zukunft für Aufgaben haben
und welche Differenzierungsmerkmale gelten sollen.
Wenn die Mehrzahl der Ingenieurstudenten mit einem Bachelor eine
technische Universität beziehungsweise Fachhochschule verlassen,
führt das zu einer nachhaltigen Verminderung der technischen
Exzellenz in Deutschland. Das bedeutet Rückschritt statt Fortschritt.
Das können wir nicht gutheißen.
Der VDI ist bereit, sich mit unterschiedlichen Argumenten auseinander
zu setzen und begrüßt jede Diskussion - doch sie muss
sachlich sein."
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Eike Lehmann,
Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI)
www.vdi.de
|