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Unser digitalisiertes Leben
2015/2016
S
koliose ist das Fachwort für eine
Wirbelsäulenverkrümmung, die
in Deutschland immerhin die
häufigste orthopädische Behandlungs
indikation bei Kindern und Jugend-
lichen darstellt. Vielen Kindern und
Jugendlichen wird zur Therapie das
Tragen eines rigiden Korsetts verord-
net. Es soll der Verkrümmung und Ver-
drehung der Wirbelsäule mechanisch
entgegenwirken. Die Heilungschancen
sind gut – allerdings nur, wenn die Pati-
entinnen und Patienten dieses Korsett
während der Wachstumsphase täglich
bis zu 23 Stunden lang tragen.
„Eine solche Einschränkung mitten in
der Pubertät wird von den wenigsten
Kindern und Jugendlichen gut ange-
nommen“, weiß Dr. Susanne Dannehl,
psychologische Psychotherapeutin und
Mitarbeiterin am TU-Fachgebiet für Me-
dizintechnik. Doch nicht nur das: Auch
unter Ärzten und den Kostenträgern
wird zum Beispiel diskutiert, welche
Korsettform am effektivsten ist oder ob
das Korsett nun 23 oder vielleicht auch
nur 20 Stunden am Tag getragen wer-
den muss. „Das Problem bei Orthesen
ist, dass es keine vernünftigen Ver-
gleichsdaten gibt“, sagt Prof. Dr. Marc
Kraft, Leiter des Fachgebietes Medizin-
technik. „Der Arzt sieht die Kinder in
der Regel alle sechs Monate, und auch
Eltern wollen und können nicht perma-
nent die Tragedauer überwachen. Eine
objektive Erfassung therapierelevanter
Daten – wie Tragedauer, Ausmaß der
ausgeführten Bewegungen, wo treten
Druckstellen auf und so weiter – ist so
unmöglich. Genau in diese Betreuungs-
lücke wollen wir einsteigen: mit einem
digitalen ‚Coach‘, der einerseits das
Trageverhalten der Kinder und Jugend-
lichen registriert, andererseits aber
auch die Patientinnen und Patienten
motiviert, Anregungen und Hilfestel-
lung gibt.“
Digital Health oder auch E-Health gilt
als die Zukunft der Medizin. Moderne
Ansätze konzentrieren sich nicht mehr
nur auf das Versenden von digitali-
sierten medizinischen Daten, son-
dern rücken den Patienten und sein
Verhalten in den Mittelpunkt. Kom-
munikationsmittel wie Smartphones
oder Tablets ermöglichen erstmals die
präzise, objektive Datenerfassung am
und die direkte Kommunikation mit
dem Patienten selbst. Der regionale
Innovationscluster BeMobil, ein vom
Bundesministerium für Bildung und
Forschung mit rund 19 Millionen Euro
gefördertes Projekt, hat es sich zum
Ziel gesetzt, diese Potenziale auszulo-
ten. Auf unterschiedlichste Art und Wei-
se werden „digitale Physiotherapeuten“
entwickelt, die älteren oder erkrankten
Menschen mehr Eigenständigkeit und
mehr Verantwortung für die eigene
Therapie ermöglichen. Dabei geht es
nicht nur um die Erfassung von Daten,
sondern auch um die Entwicklung von
passgenauen Motivationskonzepten
und Verhaltensanleitungen. Forschungs-
gruppen der TU Berlin sind in nahezu
allen Bereichen von BeMobil vertreten.
So leitet Prof. Dr. Marc Kraft gleich zwei
Projekte in dem Cluster, die sich mit der
mobilen Interaktion in der Therapeuten-
Patienten-Beziehung befassen.
Für den digitalen „Coach“ werden in die
Korsetts verschiedene Sensoren, die
therapierelevante Aktivitätsdaten wie
Bewegung, Körperhaltung, Atmung und
Druckverhältnisse erfassen, integriert.
„Unser Ziel ist es, diese Messsysteme
so klein und leistungsstark zu konstru-
DIE APP GEGEN
RÜCKENSCHMERZEN
Der digitale Physiotherapeut soll Skoliose-Patienten
das Tragen eines Korsetts erleichtern
Text Katharina Jung
Skoliose kommt aus dem Altgriechischen: skolios = krumm
Bei Skoliose kann die Rückenmuskulatur die Verkrümmung und
Rotation der Wirbelsäule nicht ausgleichen. Man unterscheidet
grundsätzlich zwischen zwei Formen: der idiopathischen und
der symptomatischen Skoliose. Dabei macht die idiopathische
Form rund 90 Prozent aller Erkrankungen aus. Sie tritt in der
Wachstumsphase von Kindern und Jugendlichen in der Regel bis
zum elften Lebensjahr auf.
Die Ursache kann meist nicht einwandfrei festgestellt werden.
Die symptomatische Skoliose dagegen kann durch einen Unfall,
Nerven- oder Muskelerkrankungen oder auch unterschiedliche
Beinlängen auftreten.
Therapie: Wird sie früh genug erkannt, ist eine Skoliose in den
meisten Fällen gut heilbar. Zur Therapie werden Krankengym-
nastik, Korsetts oder in schweren Fällen auch eine operative
Korrektur eingesetzt. .kj
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