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Unser digitalisiertes Leben
2015/2016
Foto: Claas KGaA mbH
A
lle reden von Industrie 4.0. Dabei steht die digitale
Vernetzung in der Landwirtschaft der in den Fabrik
hallen in nichts nach. „Unlängst erst wurde auf der
weltgrößten agrartechnischen Messe in Hannover ein
vernetztes System für die Düngung ausgezeichnet“, sagt
Cornelia Weltzien, Professorin für Agromechatronik an der
TU Berlin. Bei diesem Managementsystem ist es erstmals
gelungen, den gesamten Prozess organischer und mine
ralischer Düngung zu digitalisieren.
Dieses bedarfsgerechte Nährstoffmanagement ist ein kleiner
Schritt hin zur großen Vision, in der alle Teilbereiche in der
Landwirtschaft – von der Düngung über den Pflanzenschutz,
die Aussaat, die Ernte, den Transport, die Logistik und Lage
rung bis hin zur Lebensmittelherstellung und zum Verkauf –
lückenlos in der „Farmcloud“ miteinander verknüpft sind.
„So weit sind wir aber noch lange nicht. Das ist eine Vision
für 2050“, bemerkt Cornelia Weltzien. Sie selbst forscht an der
Entwicklung neuer Sensor- und Automatisierungssysteme für
den Pflanzenbau. Dies sind ebenfalls wichtige Bausteine für
eine komplett digital vernetzte Landwirtschaft.
„Stand der Technik heute ist, dass wir mit Hilfe von
Sensoren – entweder auf einem Traktor montiert oder an
Drohnen angebaut – Pflanzenparameter wie Biomasse,
Blattfläche und Chlorophyllgehalt erfassen können. Mit
Spektralkameras oder optoelektronischen Sensoren erfolgt
eine Reflexionsmessung des Umgebungslichtes. Auf diesem
Wege werden unterschiedliche Färbungen der Pflanze
festgehalten – von Grün bis Braun. „Gelb- und Braunfärbun
gen zeigen, dass der Pflanze etwas fehlt“, erklärt Weltzien.
Die Ursachen für Pflanzenstress können ganz unterschied
licher Natur sein: Es kann Wasser- oder Nährstoffmangel
herrschen oder es gibt einen Pilz- oder auch Schädlingsbefall.
Cornelia Weltzien und ihr Team wollen Sensorsysteme ent
wickeln, die in der Lage sind, die Gründe für den Mangel zu
unterscheiden, indem sie verschiedene Boden- und Pflanzen
sensoren so miteinander koppeln, dass direkt abgelesen
werden kann, wo die Verfärbungen ein Indiz für Unterver
sorgung sind oder ob ein Pflanzenschutzmittel ausgebracht
werden muss.
Das wäre ein großer Gewinn, denn dann könnten Fungizide
ganz gezielt eingesetzt werden und müssten nicht mehr
flächendeckend gespritzt werden. Gerade der Pilzbefall tritt
ohnehin in Nestern auf – und je früher er erkannt wird, umso
eher kann verhindert werden, dass der gesamte Schlag
befallen wird. Eine solche punktgenaue Erkennung schont
Ressourcen und Umwelt.
PUNKTGENAUER
PFLANZENSCHUTZ
Auch in der Landwirtschaft hält die lückenlose digitale Vernetzung Einzug. Felder
müssen bald nicht mehr flächendeckend gegen Schädlingsbefall gespritzt werden
Text Sybille Nitsche
Die Ausstattung der Land-
maschinen mit Sensoren und
computerbasierter Technik
erlaubt es, die Erträge auf
einem Feld exakt zu kartieren.