ENERGIE AUF DER ÜBERHOLSPUR
Durch das Konzept des Overlay-Netzes wird die Stromversorgung quer
durchs Land robust und effizient – dank modernster Digitaltechnik
R
egenerative Energien sind für die Umwelt eine
saubere Sache. Doch im Gegensatz zu einem Kohle-
oder Atomkraftwerk können Sonne und Wind nicht
einfach nach Bedarf an- und ausgeknipst werden. Digitale
Technologien und intelligente Schaltungen sorgen dafür,
dass der Strom, der größtenteils in Offshorekraftwerken
an der Küste gewonnen wird, ins Landesinnere gelangt –
und zwar immer dann, wenn er gerade gebraucht wird.
Die TU Berlin erforscht im Gemeinschaftsprojekt „OVANET“,
wie diese Übertragung möglichst akzeptanzfreundlich,
robust und effizient gestaltet werden kann.
„Uns schweben drei Nord-Süd-Verbindungen in Gleich
stromtechnik vor, welche über Ost-West-Verbindungen zu
einem Gleichstrom-Overlay-Netz verbunden werden. Eine
Kernidee besteht darin, bereits existierende Infrastrukturen
von Bundesautobahnen als Korridore für die Leitungen
mitzunutzen“, erklärt Prof. Dr. Kai Strunz, Leiter des TU-Fach
gebietes Energieversorgungsnetze und Integration Erneuer
barer Energien. Der Begriff „Overlay“ beschreibt, worum es
geht: Es soll ein schnelles und leistungsfähiges Stromnetz
über die bestehende Netzinfrastruktur gelegt werden. Wie
auf einer Überholspur will die Forschergruppe Energie in
Form von Gleichstrom quer durchs Land jagen. An Knoten
punkten soll das neue Netz mit dem bestehenden Dreh
stromnetz verknüpft werden. Spezielle Umrichter wandeln
dann den Gleichstrom in den beim Endverbraucher benö
tigten Wechselstrom um. Modernste Digitaltechnik macht
das Overlay-Netz zu einem schlauen Stromnetz, einem
sogenannten Smart Grid. In Zukunft soll es nahezu in Echt
zeit auf Bedarf reagieren und an wind- oder auch sonnen
starken Tagen Strom in die Regionen schicken, in denen er
gebraucht wird.
Und auch die Produktion der Kabel will die Forschergruppe
überdenken. „Beim bisherigen Kabeltrassensystem werden
relativ kurze Kabelsegmente an Ort und Stelle transportiert
und dort mithilfe von Muffen verbunden“, erklärt Strunz.
Der Plan für das Overlay-Netz hingegen sieht vor, zumindest
an akzeptanzkritischen Streckenabschnitten die Kabel in
Tunneln entlang von Autobahnen zu verlegen. Durch bessere
Anpassung der Prozesse von Kabelproduktion und -verle
gung sollen die direkt eingezogenen Kabelsegmente zudem
größer werden. Das Team hat herausgearbeitet, dass eine
solche unterirdische Bauweise nicht nur besser von der Be
völkerung angenommen würde – immerhin wären die Kabel
dann unsichtbar –, ein weiterer Vorteil wäre, dass Tunnel
systeme bei geeigneter Bauweise auch zur Mitnutzung für
die Telekommunikation geeignet sind.
Erste Berechnungen zeigen schon, dass das vorgeschlagene
Netz den zusätzlichen Windstrom im Norden effizient gen
Süden transportiert und sich dabei die Netzauslastung opti
maler steuern lässt. Mit der verbesserten Windstromintegra
tion entsteht so ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.
www.ovanet.deText Michael Metzger
Foto: Ulrich Dahl