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Unser digitalisiertes Leben
2015/2016
Foto: Michael Setzpfandt, Screenshot: Crowdee
D
er Wissenschaftler sitzt tagelang über der Auswertung
bestimmter Webseiten und könnte Hilfe gebrauchen.
Der Marketingexperte eines Verlages wüsste gerne,
wie intuitiv sein neues Registrierungsformular wirklich ist.
Und die Bachelor-Studentin würde gerne die Zeit in der
S-Bahn oder während des Wartens in der Mensaschlange
sinnvoll nutzen – zum Beispiel, indem sie für solche Auf
gaben und Befragungen zur Verfügung stünde und sich so
in dieser Zeit die 2,50 Euro für den Kaffee verdienen könnte.
Allen dreien kann die neu gegründete Internetplattform
Crowdee helfen. „Seit dem 1. Oktober 2015 werden wir durch
ein EXIST-Stipendium und das Centre for Entrepreneurship
an der TU Berlin unterstützt, sodass wir mit der Plattform,
die ich teilweise im Rahmen meiner Promotion entwickelt
habe, auf den Markt gehen konnten“, erzählt Dr. Tim Polzehl,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am TU-Fachgebiet Quality and
Usability Lab. Zusammen mit André Beyer, Darina Onoprienko
und Rafael Zequeira gründete er Crowdee.
Mobiles Arbeiten für jedermann ist das Firmencredo. Über
Crowdee werden Mikrojobs vermittelt, die jeder, der die App
auf sein Handy geladen hat, jederzeit und überall durch
führen kann – solange er online ist. Und so ein Mikrojob
kann ganz vielfältig sein: Das reicht vom Durchsuchen eines
bestimmten Hashtags auf Twitter über Usability-Tests einer
neuen Webseite bis zur Internetrecherche. Auftraggeber
kommen aus der Industrie oder auch aus wissenschaftlichen
Einrichtungen. Die einzelnen Jobs sind so portioniert, dass sie
in der Regel nur wenige Minuten in Anspruch nehmen.
Der User durchsucht zum Beispiel zehn Webseiten nach
einem bestimmten Logo und verschickt die Ergebnisse
unmittelbar online – das ist in wenigen Minuten erledigt.
Wenn aber 500 sogenannte Crowdees (User) innerhalb we
niger Stunden je zehn Webseiten durchforsten, werden eine
Menge Daten innerhalb kurzer Zeit generiert. Der Vorteil für
den Auftraggeber: Er hat innerhalb kürzester Zeit Zugriff auf
Tausende standardisiert ermittelte Daten zu einer bestimm
ten Fragestellung. Der Vorteil für den User: Er erhält zu jeder
Zeit das Angebot für vielfältige Jobs, die er orts- und zeit
unabhängig erledigen kann – aber nicht muss. Die Bezahlung
richtet sich dabei nach dem Mindestlohn – umgerechnet
in eine Art Minutentakt. „Wir vermitteln keine anonymen
Avatars. Unsere User sind hauptsächlich Studierende in
ganz Deutschland, die sich registrieren müssen und deren
Aktivitäten auf der Plattform wir kontrollieren. Das heißt, wir
registrieren, wie viel oder wie oft jemand sich für einen Job
anmeldet. Die meisten Jobs enthalten eine kurze Einführung,
mit der wir feststellen können, wie korrekt und motiviert
dieser User ist“, so Tim Polzehl. Über 1500 Crowdees sind
bislang registriert. Ziel ist, in einem Jahr rund 1,5 Millionen
registrierte Crowdees zu haben.
www.crowdee.deJEDERMANN,
JEDERZEIT UND
ÜBERALL
Crowdee ermöglicht mobiles Arbeiten
in der S-Bahn oder beim Warten in der
Mensaschlange
Text Katharina Jung