TU intern · Nr. 7–9/2016Seite 3 Hochschulpolitik Berlins Hochschulen und Forschungs- einrichtungen haben sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Die Zahl der Studienplätze ist deutlich gestiegen. Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zieht es nach Berlin. Die Wissenschaft ist zu einem der wichtigsten Motoren der wirtschaftlichen Entwick- lung geworden. Das ist das Ergebnis einer Wissenschafts- politik, die seit Jahren konsequent auf Ausbau gesetzt und zusätzliche Ressour- cen zur Verfügung gestellt hat. Das ist aber vor allem auch das Ergebnis des großen Engagements der Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Wir wollen an diese gute Ent- wicklung an- knüpfen und ihr durch gezielte Maßnahmen weitere Impul- se verleihen. Ein besonderes Gewicht wird dabei auf Inves- titionen in Gebäude und Infrastruktur der Hochschulen liegen. Wir planen, in den nächsten zehn Jahren insgesamt zwei Milliarden Euro dafür zur Verfügung zu stellen. Auch die Arbeitsbe- dingungen an den Hochschulen müssen verbessert werden. Aktuell gibt es zu viel prekäre Beschäftigung. Wir wollen mehr Dauerstellen und eine Stärkung des Mittelbaus. Es muss das Prinzip gelten, dass für Daueraufgaben auch Dauerstellen geschaffen werden. Beim weiteren Ausbau der Studienplätze wollen wir einen Schwerpunkt auf den Master legen. Wir wollen, dass in allen Be- reichen die Zahl der Master-Studienplätze bei mindestens 70 Prozent der Studienan- fängerplätze der Bachelor-Studiengänge liegt. Wichtig ist der SPD auch, dass die Durchlässigkeit zwischen Fachhochschu- len und Universitäten in diesem Bereich gestärkt wird. Gleiches gilt für kooperati- ve Promotionen unter Einbeziehung der Fachhochschulen. Ein zentrales Ziel bleibt die Verbesserung der Kooperation zwischen den Hochschu- len, aber auch zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtun- gen. Wir wollen die Vielfalt erhalten und sie zugleich für mehr Gemeinsamkeit nutzen. Ein wichtiger Schritt hierfür ist, die Zuständigkeit für Wissenschaft und Forschung wieder in einer Senatsverwal- tung zusammenzuführen. 1. Arbeitsmarkt- und Hochschulpolitik müssen deutlich enger zusammenarbei- ten. Es gibt Fachkräftemangel. Daher fordert die CDU-Fraktion einen bedarfs- gerechten Ausbau der Studienplatzka- pazitäten für die entsprechenden Fä- cher. Wir wollen die Universitäten beim Auf- und Ausbau von Exzellenzclustern unterstützen sowie die Fortführung und den weiteren Ausbau unserer Graduier- tenschulen voranbringen. 2. Berlin hat unter den deutschen Städ- ten den mit Abstand besten Ruf, wenn man Gründer fragt. Rund drei Viertel al- ler Gründer sagen, dass die Hauptstadt der beste Ort ist, um ein Start-up auf den Weg zu bringen (Umfrage Bitkom 2015). Das liegt daran, dass sich in Berlin ein Start-up-Ökosystem herausgebildet hat, in dem Start-ups und Investoren zueinanderfinden und Gründungen bei Erfolg rasch wachsen können. Daher ist es für die CDU-Fraktion nur die logische Konsequenz, diesen Trend mit dem Aus-, Auf- und Weiterbau von Gründerzentren weiter zu fördern und fest in unseren Aus- und Weiterbildungsstrukturen in Berlin zu verankern. Der Sprung von der Hochschule in die Praxis soll den Studen- ten deutlich erleichtert werden. 3. Berlin wird für junge Akademiker im- mer attraktiver, daher müssen wir in ers- ter Linie der großen Nachfrage gerecht werden und das Angebot an studenti- schem Wohnen weiterhin ausbauen. Mit der steigenden Nachfrage nach Studi- enplätzen steigt der Raumbedarf. Unge- nutzte Räume, die aufgrund des hohen Sanierungs- und Investitionsstaus an den Hochschulen brachliegen, müssen reak- tiviert werden, Investitionen in die Hoch- schulgebäude deutlich erhöht werden. Im Rahmen der Spitzenforschung wollen wir sowohl institutionelle als auch Projekt- förderungen an den Hochschulen wei- terhin fördern, denn eine Voraussetzung für das Entstehen von wissenschaftlich herausragenden Strukturen und Institu- tionen ist Planungssicherheit für Hoch- schulen. Hochschulfinanzierung auf eine besse- re Grundlage stellen, Exzellenz fördern und die Ergebnisse zugänglich machen: Bündnis 90/Die Grünen bekennen sich klar zum Hochschulvertragssystem. Wir wollen es allerdings reformieren und damit verbessern. Mittlerweile ist es so intransparent, dass kaum noch jemand weiß, warum welche Hochschule wie viel Geld bekommt. Das allerdings untergräbt die Steuerungswirkung – und die wahrge- nommene Legitimität. Uns ist wichtig, den Anteil der Grundfinanzierung zu erhöhen, kontraproduktive „Leistungskriterien“ abzuschaffen und stattdessen mit den Hochschulen Ziele zu vereinbaren, die auch erreichbar sind. Im Zentrum dieser Ziele stehen für uns verbesserte Studien- und Arbeitsbedingungen, eine weitere Öffnung der Hochschulen auch für nicht traditionelle Studierende und eine stärkere Durchlässigkeit zwischen den Hochschul- typen. Voraussetzung für einen Zugang zum Studium und ein späteres Gelingen desselben unabhängig von der eigenen oder familiären finanziellen Situation sind die Rahmenbedingungen: bezahlbares studentisches Wohnen und öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV), bedarfsgerechte Beratungsangebote, gut ausgestattete Services. Studiengebühren, egal in wel- cher Form, lehnen wir ab. Sowohl im Studium als auch in Lehre und Forschung wollen wir transdisziplinäre und problem- orientierte Ansätze fördern. Wissenschaft leistet gerade in einer wissensbasierten Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag zu deren Reflexion und zur kritischen Ausein- andersetzung mit aktuellen und potenziel- len Entwicklungen. Dies wollen wir stär- ken. Auch deshalb ist uns die Autonomie der akademischen Institutionen wichtig. Diese muss aber auch die Teilhabe und Mitbestimmung aller Hochschulmitglieder sicherstellen, ob durch Viertelparität oder andere, demokratischere Ansätze. Open Access und eine stärkere Kommunikation von Wissenschaft und ihren Ergebnissen sowie Ansätze wie „Citizen Science“ sind für uns ebenfalls selbstverständlich und werden unterstützt werden. Für die Hochschulen ist ein langfristiges Bau-Sanierungsprogramm aufzulegen. Aus „eigenen“ Mitteln können sie ihre Infrastruktur nicht erhalten. DIE LINKE fordert neben der Erhöhung der Grundfi- nanzierung die Verankerung einer Gleit- klausel in den Hochschulverträgen, um die Steigerung jener Kosten aufzufangen, die von den Hochschulen kaum oder gar nicht zu beeinflussen sind, die aber durch die Hochschulverträge nicht ausreichend abgedeckt werden. Eine demokratische Gesellschaft braucht demokratische Hochschulen. Die Beteili- gung aller in der Hochschule vertretenen Gruppen an den Entscheidungsprozessen ist deshalb angemessen zu gewährleisten. Das alte Bun- desverfassungs- gerichtsurteil zur notwendi- gen Professo- renmehrheit bei allen Fragen von Forschung und Lehre in den Hochschul- gremien ist endlich kritisch zu hinterfragen. Regelstudienzeiten dür- fen nicht zu Lasten einer breiten wissen- schaftlichen Ausbildung gehen. Ausreichende Orientierungsphasen für Studienanfänger sind zu garantieren und frühzeitige Hilfen bei Studienproblemen sicherzustellen. Zwangsexmatrikulation ist kein Instrument linker Hochschulpo- litik. Der Zugang zu den Master-Studi- engängen ist zu verbessern. Die wegen der Übernahme der Bafög-Mittel durch den Bund frei werdenden Gelder müssen auch unmittelbar bei den Studierenden ankommen. Die Studienbedingungen wären damit über eine personelle Ver- stärkung des Mittelbaus zu verbessern. Für Daueraufgaben sind Dauerstellen zu schaffen. Berlin braucht dringend mehr Wohn- raum für Studierende. Die 5000 neuen Wohnheimplätze, die der Senat schon 2013 versprochen hatte, werden nicht vor 2019 fertig. Das Wohnungsproblem stellt sich für viele Studierende aber be- reits heute. In Luftschlössern kann man nicht wohnen. Es fehlt aktuell an studen- tischem Wohnraum, der in einer verstärk- ten Zusammenarbeit von Studentenwerk und städtischen Wohnungsbaugesell- schaften kurzfristig zu beschaffen wäre, ohne dass es dadurch zur Verdrängung anderer kommt, die ebenfalls auf günsti- gen Wohnraum angewiesen sind. Die klassischen Forderungen wie die verbesserungsbedürftigen Arbeitsbe- dingungen des Mittelbaus sind da na- türlich enthalten. Unter dem Slogan „Wissen verdoppelt sich, wenn man es teilt“ möchten wir aber grundsätzlich die Teilhabe der Menschen an den Uni- versitäten fördern und dies zu einem Bestandteil der Hochschulverträge ma- chen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit der Hochschulen kann dabei deutlich ausgebaut werden, ohne einfach nur „noch mehr“ Studierende aufzunehmen. Einen konkreten Schwerpunkt bildet der freie Zugang zu allen Forschungsergeb- nissen (Open Access). Wirtschaftliche Interessen Dritter sind den Rechten der Autor*innen zur freien Distribution ihrer Arbeit unterzuordnen. Drittmittelanträge sollten transparent und öffentlich disku- tiert werden. Tools wie LiquidFeedback, das auch die PIRATEN zur Programment- wicklung benutzt haben, sind wertvolle, aber noch unbekannte Werkzeuge zum interaktiven und kollaborativen Arbeiten. Viel fortschrittlicher als zum Beispiel Wiki ermöglichen sie eine Rechtehierarchie, die die Beteiligten durch Delegationen selbst vorgeben können. Die Digitalisie- rung wurde zum Schwerpunkt der Smart-City- Strategie des Se- nats und die TU Berlin profitiert durch zahlrei- che Juniorpro- fessuren. Nun sind neue Bereiche zu erschließen. Migration muss als Chance zur Anwen- dung unseres Know-how in einem Be- reichsspektrum vom angewandten Huma- nismus bis zum Wohnungsbau begriffen werden. Innovative Start-ups sind zu fördern, die den Slogan „Wir wollen das“ als Antwort geben. Hier bilden unsere integrativen Wohnzentren einen Schwer- punkt, die sich mit modernster Technolo- gie in das „Internet der Dinge“ fügen und Geflüchteten, Studierenden und Interes- sierten einen Lebensmittelpunkt bieten, der Wohnen, Sprache, Universität und Lernen, Ernährung und Sport, Einkaufen und Entspannen über die breite Vielfalt ihrer Bewohner*innen verbindet. Das Wahlprogramm der PIRATEN Berlin findet sich unter: https://wiki.piratenpar- tei.de/BE:Wahlprogramm/2016 Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin Planungssicherheit für gute Studienbedingungen und Spitzenforschung Was die Berliner Parteien für die Hochschulen fordern DieWahlen stehen vor der Tür. Im September 2016 wählt Berlin ein neues Parlament. Auch die Hoch- schulen hegen bestimmte Erwar- tungen an ihreVolksvertreterinnen und -vertreter. „TU intern“ hat die hochschulpolitischen Sprecher und die Sprecherin der im Abge- ordnetenhaus vertretenen Parteien gefragt, welche Ziele sie für die Weiterentwicklung der Hochschulen in der nächsten Legislaturperiode haben, welcheVeränderungen es aus ihrer Sicht geben muss, um Berlin mit seiner großen Anzahl an Hoch- schulen, außeruniversitären For- schungseinrichtungen und Spin-offs als herausragendenWissenschafts- standort in Deutschland zu fördern, welche Hauptschwerpunkte sie verfolgen wollen, was ihnen dabei besonders wichtig ist und wovon sie sich politisch verabschieden wollen. Lars Oberg, SPD Dr. Wolfgang Albers, DIE LINKE Dr. Franz Josef Schmitt, Die PIRATEN Anja Schillhaneck, Bündnis 90/ Die Grünen Dr. Dr. Hans-Christian Hausmann, CDU © © Wikipedia Berliner Landesparlament in der Niederkirchnerstraße, Berlin-Mitte. Seit 1993 tagt das Berliner Abgeordnetenhaus im Gebäude des ehemaligen Preußischen Landtags © © Martin Rulsch © © Bernd Brundert © © Bündnis 90/Die Grünen/Daniel Kause © © Die Piraten © © Die Linke